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- Betriebsschließungsversicherungen weigern sich oft zu Unrecht
- Prozesslawine rollt an – Prozesskostenfinanzierer unterstützen
SARS-Covid-19 stellt neben vielen anderen Wirtschaftszweigen auch die Versicherungswirtschaft auf den juristischen Prüfstand. Erste Verfahren vor den Gerichten laufen bereits: Wie sind Versicherungsbedingungen, die finanziellen Schutz vor wirtschaftlichen Folgen von Infektionskrankheiten bieten sollen, auszulegen? Es zeichnet sich aktuell eine erste Tendenz zu Gunsten von Versicherten ab.
- Liquiditätsengpässe führen zur Insolvenz
- Schadensvolumen für Betriebsunterbrechungsversicherer im Milliardenbereich
- Landgericht München I stärkt Versicherten den Rücken
- Prozesslawine gegen Versicherer von Betriebsschließungsversicherungen geht weiter
- Prozesslawine gegen Versicherer von Betriebsschließungsversicherungen geht weiter
- ZInsO-Praktikertagung ist Treffpunkt für Insolvenzverwalter und Akteure am Finanzmarkt
- Nutzen Sie den Kontakt zu einem Fachanwalt
Liquiditätsengpässe führen zur Insolvenz
Da sich viele Versicherungsunternehmen beim Auszahlen der Versicherungsleistungen sperren und das bei Betrieben zu Liquiditätsengpässen führt, werden die Insolvenzgerichte ab Herbst 2020 zwangsläufig gegen eine Flut von Insolvenzanträgen zu kämpfen haben. Die Folge: Insolvenzverwalter werden die Bedingungen der Betriebsausfallversicherer unter die Lupe nehmen müssen. Das bedeutet viel Arbeit, da es in dem Versicherungssegment Betriebsschließungen nur wenig bis keine einheitlichen Standards gibt.
Schadensvolumen für Betriebsunterbrechungsversicherer im Milliardenbereich
Rückversicherer rechnen mit Milliardenschäden – der schweizerische Rückversicherer SWISS.RE schätzt die Belastungen aus der Corona-Pandemie alleine für Veranstaltungen auf ca. 2,5 Milliarden US-Dollar. Der Vorstand der SWISS.RE geht davon aus, dass der Versicherungssektor weltweit mit Aufwendungen aus Betriebsausfallversicherungen zwischen 50 und 80 Milliarden US-Dollar zu rechnen habe.
Nach Auskunft des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWi) vom 09. September 2020 sollen laut Angaben des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft etwa 73.000 Betriebe eine Betriebsschließungsversicherung abgeschlossen haben. Die Einstandspflicht der Versicherer hängt naturgemäß von den ganz konkret abgeschlossenen Versicherungsbedingungen ab. Die Höhe der bereits bis zur Mitteilung des BMWi ausgezahlten Leistungen aus den Betriebsausfallversicherungen betrug bis zum 01. Juli 2020 rund 157 Mio. Euro. Damit käme man rechnerisch auf einen durchschnittlichen Erstattungsbetrag von 2.150 pro Versicherten.
Landgericht München I stärkt Versicherten den Rücken
Aktueller Brennpunkt von Gerichtsprozessen ist momentan das Landgericht München I. Die Kammer für Versicherungssachen (12. Zivilkammer) verhandelte am 31.07. und 17.09.2020 gegen Anbieter von Betriebsschließungsversicherungen. Die Tendenz der Vorsitzenden Richterin trat in beiden mündlichen Verhandlungen deutlich zu Tage. So erklärte Richterin Susanne Laufenberg bei der Verhandlung Ende Juli:
„Im Einzelfall kommt es daher darauf an, ob dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer einer Betriebsschließungsversicherung nach der Formulierung in den Versicherungsbedingungen hinreichend klar ist, dass der Versicherungsschutz im Verhältnis zu den Regelungen des Infektionsschutzgesetzes lückenhaft ist.“
Eine klare Aussage in Richtung der Versicherungen wiederholte die Vorsitzende Richterin Laufenberg auch in der Verhandlung am 17.09.2020. Im Verfahren gegen die Allianz ist die Ansicht deutlich formuliert:
"Wir sehen im vorliegenden Fall nichts, was dem Anspruch der Klägerin entgegensteht.“
Dabei betonte die Richterin nochmals, dass jede eingereichte Klage individuell geprüft werden müsse. Der zentrale Punkt ist, dass Versicherungsbedingungen so deutlich formuliert sein müssen, damit sie jeder Versicherungsnehmer versteht – Versäumnisse, den Versicherungsschutz klar zu definieren, gehen zu Lasten der Versicherungsgesellschaft; in diesem Falle der Allianz-Versicherung.
In dem jüngst ergangenen Urteil erklärt das Landgericht München I, es komme nicht darauf an, dass die Behörden im Frühjahr keine individuellen Verfügungen der Corona-bedingten Schließungen an die betroffenen Adressaten erlassen hätten. Demzufolge reichen die ergangenen staatlichen Allgemeinverfügungen aus, um einen Anspruch zu begründen.
Prozesslawine gegen Versicherer von Betriebsschließungsversicherungen geht weiter
Mittlerweile sind 72 Klagen beim Landgericht München eingegangen; unter anderem von Schottenhammel – Paulaner am Nockherberg, Ringelstätte, Riessersee Hotel, Hotel „Feuriger Tatzlwurm“, Augustinerkeller, Emmeransmühle. Nach einem Branchenbericht des DEHOGA Berlin sind aktuell über 1.000 Klagen von Gastronomen gegen Versicherer anhängig gemacht worden.
Dem positiven Trend aus Bayern steht ein aktuelles, noch nicht rechtskräftiges Urteil des Landgerichts München nicht entgegen; ging es hier um einen Fall, bei dem die Kindertagesstätte (KiTa) nicht vollständig geschlossen war, sondern eingeschränkt weiterlief (Notbetrieb). Das Urteil will der Betreiber der KiTa nach Presseberichten auf den Prüfstand stellen und Berufung beim Oberlandesgericht München einlegen.
Einen Trumpf will die KiTa als Argument dem Berufungsgericht vorlegen, denn sie sei wegen des Hygieneschutzkonzepts unweigerlich verpflichtet gewesen, diesen Notbetrieb zu führen. Der Hintergrund dafür sei, dass sie die Kinder von Eltern zu betreuen hätte, die in systemrelevanten Berufen beschäftigt seien. Statt normalerweise 89 Kinder zu betreuen, sei der Betrieb auf nur 4 Kinder beschränkt gewesen.
Finanzieller Rückenwind durch Prozesskostenfinanzierer
Nicht nur für Insolvenzverwalter gilt: Wer soll einen Prozess gegen eine auf den ersten Blick übermächtig erscheinende Versicherungslobby bezahlen. In diesen Fällen kann auf Erfolgsbasis prozessiert werden. Der Vorteil: ein Prozesskostenfinanzier setzt sein Geld ein, damit Versicherte ihr Recht bekommen. Dabei werden alle Kosten von dem Prozesskostenfinanzierer gestemmt und nach erfolgsreichem Abschluss erhält der Finanzierer einen Teil des gewonnenen Geldes. Den Kontakt zu einem einschlägigen Prozesskostenfinanzierer knüpfen wir.
ZInsO-Praktikertagung ist Treffpunkt für Insolvenzverwalter und Akteure am Finanzmarkt
Die ZinsO-Praktikertagung, deren Schirmherr Georg Fahrenschon (Bayerischer Staatsminister a.D.) ist, findet vom 9. – 10. November 2020 in Bonn-Bad Godesberg (Rheinhotel Dreesen) unter Moderation von Prof. Dr. Hans Haarmeyer und Stefan Loipfinger zum dritten Male statt. Veranstalter ist das Deutsche Institut für angewandtes Insolvenzrecht (Bonn).
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Beitrag vom 26.09.2020