Coronavirus fordert neue Regeln für Mietrecht – Folgen für Mieter und Vermieter

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In einer noch nie dagewesenen Geschwindigkeit hat der Gesetzgeber das Gesetz zur Abmilderung der wirtschaftlichen Folgen der COVID-19-Pandemie mit Änderungen im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht erlassen. Durchbrechen Adidas, Deichmann und H&M alle bestehenden Gesetze? In diesem Blogbeitrag setzen wir uns mit den Regelungen im Mietrecht auseinander und beantworten die Fragen, was Mieter und Vermieter jetzt beachten müssen und für wen das Gesetz überhaupt gilt.

Teile des Mietrechtes wurden neu geregelt – was gilt es für die Mietparteien zu beachten? Sie haben Fragen oder benötigen eine Beratung zum Thema Mietrecht? Dann rufen Sie uns unter dieser Nummer 02241 1733 0 an oder schreiben eine E-Mail an: info@rechtinfo.de

Inhalt

Adidas, Deichmann, H&M und andere – Vorgehen der Unternehmen im Mietrecht spaltet das Land

Es fing eigentlich ganz harmlos an. Am 25.03.2020 hat der Gesetzgeber das „Gesetz zur Abmilderung der wirtschaftlichen Folgen der COVID-19-Pandemie mit Änderungen im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht“ erlassen. Mit diesem Gesetz haben wir uns bereits in einem gesonderten Artikel auseinandergesetzt, den Sie hier

nachlesen können.

Kurz darauf kam die Mitteilung, dass größere Unternehmen wie z.B. Adidas, Deichmann und H&M angekündigt hätten, ihre Mieten für die Gewerbeimmobilien nicht zu zahlen. Ein Aufschrei ging durch die Politik und die öffentliche Meinung. Wie kann es sein, dass Unternehmen, die jahrelang Gewinne gemacht haben, nun einfach keine Miete mehr zahlen? Dürfen die das überhaupt? Ist das rechtmäßig? Die Empörung ging so weit, dass bereits Produkte von Adidas medial wirksam verbrannt wurden.

Mittlerweile hat zumindest Adidas reagiert und öffentlich klargestellt, dass es nicht einfach nur darum ging, die Mieten nicht zu zahlen, sondern dass man in Absprache mit den Vermietern über die Stundung der Mieten für den Monat April verhandele. Dies betreffe auch nur institutionelle Vermieter. Private Mieter hingegen würden ihre Miete erhalten.

Die Aufregung der betroffenen Bürger in ihrer Eigenschaft als Vermieter ist nachvollziehbar. Es geht um den Aspekt der Solidarität und der Signalwirkung, die von einer solchen Entscheidung ausgeht. Wenn sich schon die „großen“ Unternehmen mit weltweit bekannten Markennamen nicht mehr an vertragliche Vereinbarungen halten müssen, warum dann der „kleine“ Unternehmer? Die Frage ist berechtigt, verstellt aber den Blick auf das eigentliche Problem. Genau genommen werden hier Äpfel mit Birnen vergleichen. Adidas und andere haben diese Entscheidung nämlich nicht auf Basis des genannten Gesetzes getroffen. Das dürfte auf diese nämlich gar nicht anwendbar sein. Wir zeigen nachfolgend auf, warum das so ist und worauf die Entscheidung der Unternehmen wahrscheinlich beruht.

Für wen gilt das Gesetz überhaupt?

Das oben genannte Gesetz wurde in seinem Anwendungsbereich während der Gesetzgebung immer weiter eingeschränkt. Das Gesetz gilt nun ausschließlich für

  • Verbraucher (bzw. Privatpersonen)
  • Kleinstunternehmer

Kleinstunternehmer sind Unternehmen mit weniger als 10 Mitarbeitern und einem Jahrumsatz bis zu 2 Mio. EUR bzw. einer Bilanzsumme von max. 2 Mio. EUR.

Damit steht fest, dass das Gesetz überhaupt nicht auf Unternehmen wie Adidas anwendbar ist. Tatsächlich hatte die Entscheidung von Adidas und anderen auch ganz andere Gründe.

Darf ich nach dem Gesetz meine Miete bzw. Pacht wegen COVID-19 einfach einbehalten?

Kann ich die Miete / Pacht einfach so einbehalten?

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Die Antwort ist ein ganz klares Nein. Es besteht nach dem Gesetz kein Recht zur Verweigerung der Leistung. Zahlungen aus Miete und Pacht sind von dem Leistungsverweigerungsrecht für andere Bereiche der Daseinsvorsorge (wie z.B. Kosten für Energieversorgung und Wasser) ausdrücklich ausgenommen. Das bedeutet, dass die Pflicht zur Zahlung der Miete bzw. Pacht nach wie vor besteht und man seiner Zahlungspflicht nachkommen muss.

Wie schützt das Gesetz, wenn man wegen des Coronavirus nicht zahlen kann?

Im Gegensatz zu den anderen Verpflichtungen aus Dauerschuldverhältnissen zur Daseinsvorsorge hat der Gesetzgeber hier festgelegt, dass der Mieter bzw. Pächter weiter zahlen muss. Solche „Dauerschuldverhältnisse zur Daseinsvorsorge“ sind z. B. Wasserversorgung, Strom oder Telekommunikation. Dabei hat der Gesetzgeber nicht übersehen, dass dies aus wirtschaftlichen Gründen nicht möglich sein kann. Daher hat er den Kündigungsschutz für rückständige Mieten erweitert.

Hintergrund ist, dass ein Mietverhältnis nach einem Zahlungsrückstand von mehr als zwei bzw. im Gewerberaummietrecht mehr als einer Miete gekündigt werden kann. Diese Kündigungsmöglichkeit hat nun eine Einschränkung erfahren. Nach der zeitlich befristeten Regelung sind Kündigungen für Zahlungsrückstände für solche Mieten nicht zulässig, die die Monate April, Mai und Juni 2020 betreffen.

Der Mieter bzw. Pächter wird also nicht dadurch geschützt, dass er seine Zahlungen nicht erbringen muss. Er wird nur dadurch geschützt, dass er dann, wenn er seine Zahlungen tatsächlich aufgrund der Vermögenssituation bedingt durch die Beschränkungen des öffentlichen Lebens und Einschränkungen der Arbeit nicht leisten kann, nicht Gefahr läuft, seine Wohnung, sein Miet- oder sein Pachtobjekt zu verlieren.

Bis wann muss man die rückständige Miete dann zahlen?

Wie viel Zeit kann ich mir zum zahlen der Miete lassen?

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Das Gesetz legt nicht genau fest, bis wann die Miete zu zahlen ist. Das Gesetz bestimmt aber, bis wann der Kündigungsschutz für die nicht gezahlten Mietzeiträume gilt. Dieser gilt bis zum 30.06.2022. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass die rückständige Miete oder Pacht jedenfalls bis zu diesem Datum gezahlt sein muss. Ist dies nicht der Fall, kann der Vermieter dann kündigen.

Wovon soll die wegen COVID-19 rückständigen Mieten gezahlt werden?

Viele Menschen erfahren derzeit massive wirtschaftliche Einschränkung dadurch, dass sie vom Arbeitgeber auf Kurzarbeit gesetzt werden oder weil sie ganz den Arbeitsplatz verlieren. Da ist die Frage natürlich berechtigt, wie in einer solchen Situation die rückständigen Mieten gezahlt werden sollen. Schließlich müssen die Mieten ja auch gezahlt werden, da es eben kein Leistungsverweigerungsrecht gibt.

Der Gesetzgeber hat auch das gesehen und im Zuge der Schaffung des Gesetzes zum Kündigungsschutz für Mieten und Pachten auch eine zeitweise Neufassung der Sozialgesetze, hier insbesondere des Sozialgesetzbuches I, welches grundlegend das Wohngeld regelt, ebenfalls zeitlich befristet neu gefasst werden.

Bisher war die Zahlung eines Zuschusses zur Miete bzw. die vollständige Übernahme der Miete an zwei Bedingungen geknüpft – an die Bedürftigkeit und die Angemessenheit der Wohnung. Das ist nun anders. An die Bedürftigkeit werden jetzt – zeitlich befristet – nicht mehr so hohe Anforderungen gestellt, wie bisher. So wird zum Beispiel grundsätzlich nicht erwartet, dass man seine Ersparnisse einsetzen muss, um die Miete oder Pacht zu zahlen. Es handelt sich also um echtes Schonvermögen. Daneben findet die Angemessenheitsprüfung hinsichtlich der Wohnungsgröße nicht statt. Durch diese soll im Normalfall vermieden werden, dass überdimensionierte Wohnungen vom Staat unterstützt werden.

Zeitlich befristet findet diese Angemessenheitsprüfung nicht statt, da die Menschen ja unverschuldet in diese Situation geraten sind.

Über diese Mittel soll ermöglicht werden, dass die Mieten für April, Mai und Juni dann im Rahmen eines Wohngeldzuschusses oder einer vollständigen Wohngeldübernahme erstattet werden.

Es ist also jedem Mieter nur zu raten, sich bei den entsprechenden Stellen um einen Wohngeldzuschuss bzw. eine Übernahme der Wohnkosten zu bemühen.

Leider ist diese Option den Unternehmern verwehrt. Diese können kein „Wohngeld“ für ihren Gewerberaum oder das Pachtobjekt beantragen. Hier soll – so die Überlegung des Gesetzgebers – der Kostenzuschuss von bis zu 15.000 EUR pro Unternehmen das Gröbste abfedern. Ob dies in der Praxis dann auch tatsächlich klappt bzw. realistisch ist, bleibt abzuwarten.

Wie lange gelten diese Regelungen?

Grundsätzlich soll dies zunächst für Mietzahlungen für die Monate April, Mai und Juni 2020 gelten. Der Gesetzgeber hat die Bundesregierung aber ermächtigt, durch Rechtsverordnung die Anwendung dieser Regelungen auch für die Mieten Juli, August und September 2020 auszudehnen.

Sollten sich also die Gegebenheiten gerade im Hinblick auf die bestehenden Einschränkungen nicht signifikant ändern, kann es sein, dass der Anwendungsbereich des Gesetzes durch Rechtsverordnung weiter ausgedehnt wird.

Ist das eigentlich für Vermieter gerecht?

Mieter sind zur Zahlung der Miete verpflichtet aber die Vermieter können nicht so einfach den Mietausfall sanktionieren.

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Die Regelungen benachteiligen Vermieter natürlich auf den ersten Blick. Zwar bleibt der Mieter zur Zahlung der Miete verpflichtet, der Vermieter hat aber keinerlei Möglichkeit, eine Nichtzahlung dadurch zu sanktionieren, dass er dem Mieter oder Pächter kündigt.

Da der Gesetzgeber aber gleichzeitig zeitlich befristet die Hürden für Wohngeld gesenkt hat, handelt es sich in erster Linie um ein zeitliches Problem. Die Miete kommt also grundsätzlich dann später, ein Totalausfall ist nicht zu befürchten, wenn der Mieter sich kümmert. Und sollte sich ein Mieter auf seiner Nichtleistung „ausruhen“, also eben gerade keine staatlichen Hilfen beanspruchen, kann der Vermieter den Mieter nach wie vor auf Zahlung der Miete verklagen.

Ein Gerichtsprozess, den der Vermieter dann führen muss, ist unter Umständen sogar im Urkundenprozess möglich, was aber voraussetzt, dass die Gerichte wieder ordnungsgemäß arbeiten.

Was muss ich jetzt beachten?

Nach den obigen Ausführungen sollte sich der Mieter in jedem Falle um staatliche Zuschüsse zu seiner Miete bemühen. An dieser Stelle ist nochmals zu erwähnen, dass die Pflicht zur Zahlung der Miete nach wie vor besteht.

Aber auch bei der Zahlung der Miete bzw. Pacht muss man aufpassen. Man sollte immer auf die Monate zahlen, für die kein Kündigungsschutz besteht. Man sollte den Monat, für den die Miete gilt auch in jedem Fall bei der Zahlung mit angeben (Tilgungsbestimmung).

Tut man dies nicht, überlässt man dem Vermieter bzw. Verpächter die Bestimmung. Das kann unter Umständen dazu führen, dass er eine Tilgungsbestimmung vornimmt, die es ihm ermöglicht, den Kündigungsschutz zu umgehen.

Was hat das jetzt alles mit Adidas und Deichmann u.a. zu tun?

Im Grunde hat dies alles gar nichts miteinander zu tun. Die Unternehmen berufen sich nicht auf das zum Schutz der privaten Mieter und Kleinstunternehmer geschaffenen Regelung.

Im Kern berufen sich diese Unternehmen darauf, dass die Mietsache allgemein nicht nutzbar ist, da es die behördlichen Schließungsverfügungen gibt.

Man kann sich auf den Standpunkt stellen, dass dies ein Mangel der Mietsache ist, der zu einer Mietminderung von 100% führen könnte. Ganz eindeutig ist die Rechtslage hierzu aber auch nicht.

Ob das ein Gericht dann auch so sieht, ist fraglich. Schließlich würde es das Risiko der für beide Parteien unvorhersehbaren Situation allein auf den Vermieter abwälzen. Das kann unserer Auffassung nach nicht die Lösung sein.

Fairerweise muss man nun auch dazu sagen, dass Adidas und Deichmann reagiert haben und klargestellt haben, dass es sich um Stundungen handelt, die in Absprache mit den Vermietern geklärt werden. Private Vermieter sollen ihre Miete erhalten.

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