Klage gegen Versicherer wegen Betriebsschließung erfolgreich

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Betriebsschließungsversicherungen wurden Anfang 2020 massiv an Gastronome, Restaurantbesitzer, Hoteliers und Kantinenbetreiber verkauft. Verkaufsargument war die Angst vor der aus China heraufziehenden Corona-Pandemie. Jetzt wollen die Versicherer nicht zahlen. Zu Unrecht, wie das Landgericht München I Anfang Oktober 2020 entschied. Für die Bayerische Versicherungskammer geht es um rund 1 Mio. Euro.

Betriebsschließungsversicherungen wurden Anfang 2020 massiv an Gastronome, Restaurantbesitzer, Hoteliers und Kantinenbetreiber verkauft. Verkaufsargument war die Angst vor der aus China heraufziehenden Corona-Pandemie. Jetzt wollen die Versicherer nicht zahlen. Zu Unrecht, wie das Landgericht München I Anfang Oktober 2020 entschied. Für die Bayerische Versicherungskammer geht es um rund 1 Mio. Euro. | E-Mail: info@rechtinfo.de - Telefon: 02241/17330

Der Augustinerwirt, München, kann sich erst einmal über das Millionenurteil freuen. Kein Argument der Betriebsschließungsversicherung stach bei der auf Versicherungsrecht spezialisierten 12. Zivilkammer des Landgerichts München I. Wir erklären, worauf es ankommt.

  • GÖDDECKE RECHTSANWÄLTE Rechtsauffassung durch Landgericht München I bei Betriebsschließungsversicherung bestätigt
  • Versicherte profitieren von unklaren Bedingungen der Versicherungen
  • Kurzarbeitergeld (KUG) und Subventionen beeinflussen Versicherungsschutz nicht

Die Corona-Pandemie setzt die Versicherungswirtschaft mit Hilfe von Gerichten unter Druck. Die Versicherten können davon profitieren. Nicht alle Bedingungen der Versicherer von Betriebsschließungen sind gleich. Deshalb lohnt sich genaues Hinsehen. Wir sehen uns mit dem Urteil des Landgerichts München bestätigt, wie wir schon im Juli prognostiziert haben. 

Davon sind auch Prozessfinanzierer überzeugt, sie übernehmen alle finanziellen Risiken eines Gerichtsverfahrens.

Inhalt

Landgericht München I verurteilt Bayerische Versicherungskammer bei Betriebsschließungsversicherung

Das am 01. Oktober 2020 gefällte Urteil der auf Versicherungsrecht spezialisierten Richter enthält deutliche Worte in Richtung Versicherungsgesellschaft. Im Prinzip war diese Entscheidung angesichts der mündlichen Verhandlung zu erwarten und sie lässt an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Keines der vielen Argumente der Versicherungsanwälte konnte überzeugen. Auch wenn die Rechtsansicht noch durch das Oberlandesgericht überprüft werden wird, können Versicherte jetzt Hoffnung schöpfen und finanziellen Segen aus ihren Versicherungen erhalten. 

Versicherer warb Anfang März 2020 mit Corona-Deckungsschutz

Viele Pächter von Gaststätten und andere Gewerbetreibende wurden mit der drohenden Corona-Pandemie zum Abschluss von Versicherungen zum Schutz des Betriebes – vom Außendienst der Versicherer initiiert – überzeugt. So war es auch bei dem Fall, über den die Münchener Richter Anfang Oktober urteilten.

Wie sich an dem jetzt ausgeurteilten Beispiel des Münchener Gastronomen zeigt, sind Vertriebsmitarbeiter mit speziellen „Vertriebsinformationen Gewerbe“ – so die Überschrift von Druckstücken – ausgestattet worden, um Kunden das Risiko zu erklären und Versicherungen zu verkaufen.

So heißt es in dem Dokument u.a.:

„Wir stellen den Coronavirus „2019-nCoV“ den in unseren Bedingungen für die gewerbliche Betriebsschließungsversicherung … namentlich genannten Krankheitserregern gleich. Als Basis gilt die Verordnung vom 01.02.2020 durch den Bundesminister für Gesundheit zur Erweiterung der Meldepflicht nach dem Infektionsgesetz.

Somit sind behördlich angeordnete Betriebsschließungen aufgrund des neuartigen Coronavirus in unserer gewerblichen Betriebsschließungsversicherung mitversichert.“

Vieles von dem, was in dem aktuellen Streit vor Gericht zu Tage kommt, findet sich auch in den meisten Policen anderer Betriebsschließungsversicherungen: Der Versicherungsschutz gilt für einen Betriebsausfall von bis zu 30 hintereinander folgenden Tagen, wenn gewisse Krankheiten oder Krankheitserreger dazu führen, dass Behörden das Gewerbe schließen. Die Versicherungsbedingungen greifen dabei – mehr oder weniger aktuell – auf das Infektionsschutzgesetz (IfSG) zurück.

Wenn dieser Fall eintreten sollte – so die Vereinbarungen, die sich ebenfalls in vielen Versicherungsbedingungen finden – ist ein vereinbarter Tagessatz von der Versicherung zu zahlen. Die Höhe dieser Zahlungen richtet entweder nach dem konkret zu berechnenden Ausfall beim Gewerbebetrieb oder wird pauschal pro Tag mit einem vorher festgelegten Tagessatz vereinbart.

Bayerische Behörden bescherten der Bewirtung Betriebsverbot

Mit Allgemeinverfügung vom 20.03.2020

„Untersagt werden Gastronomiebetriebe jeder Art. Ausgenommen ist die Abgabe und Lieferung von mitnahmefähigen Speisen.“

„Untersagt werden Gastronomiebetriebe jeder Art. Ausgenommen ist die Abgabe und Lieferung von mitnahmefähigen Speisen.“

bzw. Rechtsverordnung vom 27.03.2020 ist dem Restaurantbetrieb durch das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege behördlich verboten worden, Gäste zu bewirten. Diese Einschränkungen galten für Gaststätten in Bayern bis zum 17.05.2020. Bei dem klagenden Unternehmen konnte die Außengastronomie ab dem 18.05.2020 und die Innengastronomie ab dem 25.05.2020 von Gästen besucht werden.

Während des rund zweimonatigen Lockdowns sind nur in einem geringen Umfang Speisen außer Haus verkauft worden.

Enttäuschende „Kulanz“ des Versicherers nach Bayerischem Kompromiss

Im Vorfeld des gerichtlichen Disputs ist dem Wirt von der Versicherungsgesellschaft angeboten worden, auf 85 % seines Anspruchs zu verzichten und innerhalb weniger Tage 15 % auf sein Konto überwiesen zu bekommen. Diese Offerte ist im Frühjahr 2020 als „Bayerischer Kompromiss“ bekannt geworden und unter anderem von dem Bayerischen Wirtschaftsminister favorisiert worden.

Argumente der Betriebsschließungsversicherung überzeugen Richter nicht

Mit formalen Positionen des Versicherers mussten sich die Juristen der Spezialkammer für Versicherungsfragen auseinandersetzen und der Versicherungsgesellschaft die rote Karte zeigen. Die sehr ausführliche und uns überzeugende Begründung stellen wir in ihren Kernpunkten übersichtlich zusammen:

  • Unklare Bedingungen, die kein verständiger Mensch versteht, sind zu Gunsten des Versicherten auszulegen (Verstoß gegen Transparenzgebot); Einschränkungen, die der Versicherer vornimmt, sind unwirksam.

So hieß es in den Versicherungsbedingungen (§ 1 Ziffer 1):

"Der Versicherer leistet Entschädigung, wenn die zuständige Behörde aufgrund des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz – IfSG) beim Auftreten meldepflichtiger in Nr. 2 aufgeführten Krankheiten oder Krankheitserregern den versicherten Betrieb (…) schließt“

  • Es ist gleich, ob die zuständige Behörde den Betrieb per individueller Verfügung, Allgemeinverfügung oder Rechtsverordnung schließt.
  • Vollkommen klar war es, dass die Schließung des Betriebs auf Grund des Infektionsschutzgesetzes vorgenommen worden war.
  • Außerhausverkauf („Essen TO GO“) ist kein Ausschlussgrund für die Leistung aus der Betriebsschließungsversicherung (Das Urteil spricht davon, dass ein Außerhausverkauf im konkreten Fall keine unternehmerische Alternative darstellen würde).
  • Ansprüche aus dem Kurzarbeitergeld mindern die Leistung aus der Betriebsschließungsversicherung nicht; denn diese Position soll vor allem die Arbeitnehmer des Unternehmens schützen.
  • Schadensersatzansprüche des Versicherten gegen Behörden, die die Schließung initiiert haben, sind kein Hinderungsgrund für den Anspruch aus der Versicherung.
  • Liquiditätshilfen anlässlich der Corona-Krise reduzieren ebenfalls den Versicherungsschutz nicht. Das gilt unabhängig davon, ob die finanzielle Unterstützung aus der Kasse des Bundes oder aus dem Haushalt des Bundeslandes stammt.

Reaktionen auf das Urteil der Versicherungskammer Landgericht München

Es überrascht nicht, dass der Bayerische Hotel- und Gaststättenverband DEHOGA Bayern diese Entscheidung des Landgerichts München I begrüßt. Wörtlich erklärt der Landesgeschäftsführer Dr. Geppert: „Wir freuen uns, dass sich unser Mitglied Christian Vogler hier durchsetzen konnte. Wir sehen das Urteil als wegweisend an, folgt es doch unserer Auffassung, dass grundsätzlich Versicherungsschutz in der Betriebsschließungsversicherung besteht.“

Es wundert nicht, dass die Versicherungsgesellschaft dagegenhält und die Option einer Berufung in Betracht zieht.

Kommt eine Klagewelle auf die Betriebsschließungsversicherer zu?

Wir gehen von einer Klagewelle der Gastronomiebetriebe und vieler anderer Unternehmen aus, die jetzt aktiv werden. Wir gehen davon aus, dass speziell auch die Allianz-Versicherung an ihre Versicherungsnehmer wegen der Pandemie wird zahlen müssen. Auch andere Versicherer stehen unserer Ansicht nach im Feuer, wie z. B. AXA, Darmstädter Haftpflichtkasse, Bayerische Versicherungskammer, Gothaer, Helvetia, Nürnberger Versicherung.

Wirtschaftlich unterstützt werden diese Aktivitäten von dritter Seite. Denn es gibt für diese Prozesse zusätzlich finanziellen Rückenwind und Prozessfinanzierer, die dafür sorgen, dass es nicht am mangelnden Geld scheitert, wenn Versicherte zu Recht ihre Versicherungsleistung von Betriebsschließungsversicherern fordern. Darauf können Kantine, Fitnessstudio, Krankenhaus, Arztpraxis, Restaurant, Gastronomie und Hotels bauen.

Wir informieren Sie kostenfrei in einer Erstberatung, wenn Sie auch die Chancen für sich ausloten wollen. Das kann am Telefon (0 22 41 / 17 33-0) sein oder per eMail (info@rechtinfo.de).

  1. Update vom 04.10.2020

Was die Presse zu Betriebsschließungsurteil vom Landgericht München sagt (Auswahl)

Gastronom gewinnt Corona-Klage gegen Versicherung

(Tophotel. 01.10.2020)

„Eine Folge der Münchner Entscheidung könnte nach Einschätzung des Wirts eine zweite Klagewelle sein. Auch die Allianz muss in München Niederlagen fürchten.“

Klage gegen Betriebsschließungsversicherung hat Erfolg

(br.de, 01.10.2020)

Nach einer bundesweiten Corona-Klagewelle gegen zahlungsunwillige Versicherungen hat das Münchner Landgericht erstmals einem Gastwirt die geforderte Millionensumme zugesprochen. Laut Urteil muss die Versicherungskammer die Kosten von 30 Tagen coronabedingter Betriebsschließung an den Pächter des Augustinerkellers zahlen - das sind mehr als 1 Million Euro.

Betriebsschließungsversicherung: Urteil mit Signalwirkung

(Versicherungsbote, 02.10.2020)

Das gestern ergangene Urteil des Landgerichts München I ist aus mehreren Gründen beachtlich. Da wäre zum Beispiel die „Vertriebsinformation Gewerbe“: Ein Schreiben der Versicherungskammer Bayern, das der Versicherer am 04.03.2020 an seine Vertriebspartner herausgab. Darin hieß es: „Wir stellen den Coronavirus ‚2019-nCoV‘ den in unseren Bedingungen für die gewerbliche Betriebsschließungsversicherung […] namentlich genannten Krankheitserregern gleich. Als Basis gilt die Verordnung vom 01.02.2020 durch den Bundesminister für Gesundheit zur Erweiterung der Meldepflicht nach dem Infektionsschutzgesetz. Somit sind behördlich angeordnete Betriebsschließungen aufgrund des neuartigen Coronavirus in unserer gewerblichen Betriebsschließungsversicherung mitversichert.“

Coronabedingte Betriebsschließung: Urteil sieht Millionenzahlung vor

(Deutsche Handwerkszeitung, 02.10.2020)

„Nach einer bundesweiten Corona-Klagewelle gegen zahlungsunwillige Versicherungen hat das Münchner Landgericht erstmals einem klagenden Gastwirt die geforderte Millionensumme zugesprochen. Laut Urteil muss die beklagte Versicherungskammer die Kosten von 30 Tagen coronabedingter Betriebsschließung an den Pächter des Münchner Augustinerkellers zahlen – exakt 1,014 Millionen Euro. In ganz Deutschland sind an den Gerichten bereits hunderte ähnlicher Klagen gegen mehrere Versicherungen anhängig, inklusive des Marktführers Allianz.“

Betriebsschließungspolice: VKB muss Wirt eine Million Euro zahlen

(Fokus online, 02.10.2020)

„Im Dauerstreit um das Thema "Betriebsschließungspolice" hat ein Kläger nun einen Etappensieg verbucht: Das Landgericht München I verurteilte die Versicherungskammer Bayern (VKB) am Donnerstag (1.10.) zur Zahlung von 1,014 Millionen Euro an einen Biergarten-Betreiber (Az.: 12 O 5895/20). … Die VKB verweigerte allerdings die Begleichung des Einnahmeausfalls und berief sich auf ihre Versicherungsbedingungen, in denen der Covid-19-Erreger nicht explizit nicht genannt wird. Das sah das Gericht anders: Die Versicherungskammer könne sich nicht darauf berufen, dass die Corona-Pandemie nicht mitversichert gewesen sei, …. , sagte Richterin Susanne Laufenberg Medienberichten zufolge. Die Versicherungsbedingungen (AVB) seien intransparent.“

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Beitrag vom 02.10.2020

1. Update vom 04.10.2020

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